Das Blühen der Erde

Forschungswege mit der Farbe

Wenn ich irgendetwas über die Farbe schreibe, dann ist das eigentlich immer angeregt von außen durch einen oder eine der mit mir verbundenen Maler und Malerinnen. Das heißt im Anschauen der Bilder und der sich noch im Entstehen befindlichen Bilder werden mir bestimmte Dinge klar. So auch im folgenden Beitrag. Ein Bild auf der Staffelei von Elfi Wiese und ein Bild liegend daneben waren die Anreger der folgenden Empfindungen und Gedanken. Wobei die Empfindung tatsächlich zuerst da ist und in ihr ist eigentlich schon alles enthalten, was dann diskursiv auseinandergelegt wird. „Diese Dinge müssen in die Region der Empfindungswelt gehoben und mit der durchgeistigten Empfindung begriffen werden“ (R. Steiner in ‚Das Wesen der Farben‘ , S. 66. Darauf komme ich später zurück, der Rückgriff auf Steiner hat sich nachträglich ergeben und dient hier der historischen Bezugnahme einerseits und andererseits auch der Weiterführung dieser historischen Erkenntnisse ins heutige Empfinden).

Auf dem Bild sieht man runde Formen von Erdfarben in einer von der Malerin gestalteten Komposition. Auf dem Bild daneben, sind die die gleichen Farben und noch weitere zu Rechtecken dokumentiert. Meine Empfindung entstand im Anblick der runden Formen und wurde bewusst im Unterschied der Wirkung der rechteckigen Formen.

(Leider kann man auf Abbildern nicht die milde und sehr unterschiedliche Ausstrahlung der gemalten Farbpigmente wahrnehmen).

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Bild: Elfi Wiese

Die Empfindung bildete sich durch die Überraschung und das Staunen über die Farbigkeit der Erdfarben, über ihr Leuchten und ihre Strahlkraft (Steiner würde sagen ‚Glanz‘). Gleichzeitig über die Schönheit der Farben in der runden Form und in der Komposition. Drittens über die Transparenz und Leichte, die das Bild mit seinen Farben und Formen ausstrahlt. Eine weitere Empfindung ist die einer gewissen Unschuld der Farben. Man kann sich die Frage stellen, was ist eigentlich das Farbige der Erde? Und man kann sich dann relativ schnell darüber klar werden, dass das Farbige immer etwas Mineralisches oder Metallisches ist, welches die Erde entsprechend färbt. Ja vielleicht hat die Erde selbst gar keine Farbe?

Steiner hat in seinen Vorträgen über das Wesen der Farben (1921) einen Zusammenhang hergestellt zwischen dem Farbigen des Festen, Leblosen und den Planetenkräften. „Das Feste wird farbig, kann farbig werden dadurch, dass die Erde von denjenigen Kräften, die noch in ihr gewesen sind, als die Planeten mit ihr verbunden waren, von diesen Kräften befreit wird, dass sie von außen aus dem Kosmos wirken und dadurch an den gefärbten mineralischen Körpern die innere Kraft des Farbigen hervorrufen.(…) Wir können nicht die Farben des Leblosen irgendwie erklären, wenn wir nicht wissen, dass dieses Farbige zusammenhängt mit demjenigen, was sich die Erdenkörper als innere Kräfte zurückbehalten haben, indem die anderen Planeten sich aus dem Erdenwesen herausgezogen haben.“ Dies ist seine Antwort auf die Frage, wie die Farbe in das Innere des Mineralischen hineinkommt. „Es ist ein materialistische Malerei von der Palette weg, ein Nichtverstehen der innerlichen Natur der Farbe, die eigentlich niemals als solche vom materiellen Körper verschluckt wird, sondern die im materiellen Körper lebt und aus dem materiellen Körper herauskommen muss. Daher muss ich sie, wenn ich sie auf die Fläche hinmache, zum Leuchten bringen.“ Die Farbe lebt im materiellen Körper und muss wieder heraus: Leuchten. Das Leuchten, was wir das sehen können ist uralt – es ist eine Erinnerung, die im Festen festgehalten wurde. (…) Indem wir das Mineral aus der Farbe heraus, nicht nach dem Modell, nicht naturalistisch malen wollen, sondern aus der Farbe heraus erschaffen wollen, lernen wir, was nötig ist, das Mineralische im innerlich Leuchtendwerden zu erfassen.“ Die mineralische Farbe steckt im Inneren. Sie ist dort drinnen seit Urzeiten.. Sie ist unabhängig vom äußeren Sonnenlicht. (In den Bildern von Elfi Wiese kann man bemerken, die Farben leuchten tatsächlich aus sich heraus) Und wie oben dargestellt sind es Planetenkräfte: „Und so erglänzen uns denn die mineralischen Bestandteile unserer Erde in denjenigen Farben, die sie zurückbehalten haben von dem, was in den Planeten herausgetreten ist. Und wiederum stehen diese Farben unter dem Einflusse der entsprechenden Planeten der kosmischen Umgebung.“ So erklärt sich das Rötliche mit einem solchen Zusammenwirken der Erde mit Mars oder mit Merkur, das Gelbliche mehr mit Jupiter oder Venus usw. Aus diesem Zusammenhang heraus kommt Steiner zu dem Begriff der ‚Glanzfarben‘ : Es erglänzen in gewisser Weise die Planeten in dem festen Irdischen. Es ist auch in gewisser Weise ein reiner Glanz, der eigentlich nicht Bildcharakter hat, ein ursprüngliches reines Seelisches. Es ist ein „fluktuierendes Spektrales“ das sich in dem Inneren der Körper „festgesetzt“ hat. Dieses, seit Urzeiten festgesetzte Farbige, wird erst im Menschen, der dieses Farbige erlebt wieder frei und kommt an sein Ziel.

 

Wolf-Ulrich Klünker hat es einmal am Beispiel des Turmalins entsprechend veranschaulicht. „Der Turmalin beinhaltet als Mineral eine umfassende Farbenvielfalt. Diese kann aber nur in Erscheinung treten, wenn der Mensch den Stein aufbereitet oder sich zumindest darum bemüht, die Farbigkeit zu erschließen. In seinen Farben hat der Turmalin Zeiten der irdischen und kosmischen Entwicklung ‚gespeichert‘, die vom Menschen noch nicht durch unmittelbare Präsenz begleitet werden konnten. Der Turmalin kann in dieser Hinsicht tatsächlich als ein ‚transzendentales Speichermedium‘ gelten. Allerdings wird diese Potentialität erst zur Wirklichkeit, wenn sie vom Menschen ‚ausgelesen‘ wird – heute, also nach unermesslich langer Entwicklungszeit. Hier gilt für den Turmalin, was oben angedeutet wurde: Das Ereignis dieser früheren irdisch-kosmischen Entwicklungsphase wird erst in der Zukunft real, wenn es durch den Menschen bewusstseinsfähig wird, wenn der Mensch die Farben des Turmalin erleben und die damit verbundene Entwicklungstiefe empfinden (nicht hineindeuten) kann. Die damalige Ausbildung des Turmalin war auf diese Zukunft hin angelegt. Die mineralische Substanz kann von diesem Erleben nicht getrennt werden und besitzt ohne die entsprechende Empfindung des Menschen nur eine untergeordnete Realität.“(W. U. Klünker – 50 Jahre Turmalinstiftung, Brief an die Gäste)

 Man könnte es vielleicht etwas skizzenhaft so verstehen, dass das menschliche Erleben dieser Farbe eine Art ‚Ziel‘ ist, dass in dem uralten Festgesetzten lebt, und das damit gleichzeitig darauf hinweist, dass es eine menschliche Verbindung zu diesem Farbigen gibt. Das Menschliche ist als Zukunft in dem Farbigen bereits latent enthalten; umgekehrt in dem Vergangenen erblickt der Mensch sich selbst.  Er ist aus dem Farbigen heraus gebildet worden. Das Farbige kommt in ihm zum Blühen.

Unsere gegenwärtigen ökonomischen Begriffe und damit auch die Begriffe, die wir auf unser Leben anwenden sind meist Wachstumsbegriffe. Vielleicht bräuchten wir heute mehr Begriffe, die sich mit dem ‚Blühen‘ beschäftigen, um zu verstehen, was die Wirklichkeit heute braucht. Man kann den Eindruck haben, dass dies in der Kunst schon oft realisiert wird. Denn dass Ziel kann ja nicht das Wachstum selbst sein – ohne Blühen kein Fruchten etc. In diesem Sinne hatte ich den Eindruck, dass auch die Erdfarben bewusst in der Malerei und durch die Malerei wahrgenommen werden, aber auch weiterentwickelt werden können in ein menschliches Blühen hinein. Gerade die runden Formen haben einerseits die Tendenz zu Kosmischem, aber auch zum Pflanzlichen – so wirken sie wie für mich Rosenblüten…

 So wie viele Menschen heute schon ein Empfinden für das Tier und seine Bedürftigkeit entwickeln, könnte auch eine Wahrnehmung der mineralische Substanz in ihrer Farbigkeit eine neue Sensibilität für die Erde und ihre ‚Bodenschätze‘  entstehen lassen, also für das, was sie eigentlich für uns aufbewahren.

Bild: Elfi Wiese (Das Bild steht noch auf der Staffelei und ist vielleicht noch nicht fertig. Mein Eindruck ist davon aber unabhängig.)

Roland Wiese 6.9.2020

 

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