Tata Ronkholz

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Tata Ronkholz ist 1997 mit 57 Jahren gestorben. Die Aussstellung ihrer Photos in der Galerie Schröder und Dörr erinnert an das 20. Todesjahr dieser Photographin. Tata Ronkholz, 1940 geboren, hat nach einem Praktikum als Schreinerin Architektur und Innenarchtektur studiert und als Produktdesignerin gearbeitet, bevor sie durch die Bekanntschaft mit Bernd Becher mit 37 noch einmal ein  Studium an der staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf in der Klasse von Bernd Becher absolviert hat.

Was sieht man auf den Fotos von Bernd und Hilla Becher und ihren Schülern wie Tata Ronkholz? Was zeigen ganz eigen die Bilder von Tata Ronkholz? Man spricht immer von dokumentarischer Fotografie, man meint damit, die Fotografie dokumentiere eine bestimmte Wirklichkeit. In den bekannten ‚Becher Bildern‘ der Industrie-Wesen, wie Stahlwerken, Hütten, Berwerke usw. kann man heute aber bemerken, dass es sich nicht nur um Bilder, also Abbilder von Industriegebäuden und Maschinen handelt. Man kann in den Bildern ‚lesen‘, ja man muss sie sogar lesen, um sie zu verstehen. Denn sie zeigen zwar völlig unverständliche Konstruktionen von Produktionsarchitektur, aber man sieht, bei genauerer Betrachtung ein doppeltes: eine riesige Maschinerie, die sich der Mensch erdacht und sich gebaut hat, und die in sich form-schlüssig ist. Man sieht ihre Zusammenhänge und gleichzeitig wird sie Ausdruck eines menschlich konstruierten Wesens, das neu ist (und heute schon wieder alt und vergangen). Man sieht menschliches technisches Denken in Form gegossen.

Auch Tata Ronkholz hat solche menschlichen Konstrukte in ihrer Umgebung portraitiert! Ja wie eigenständige Objekte herausgehoben aus einem Gesamtzusammenhang gewöhnlicher menschlicher Lebensumgebung, vom Menschen sich selbst geschaffener Lebensmöblierung. Es ist die Möblierung der Welt, wie sie der Mensch sich ausgedacht hat. Die Serie ‚Trinkhallen‘ unterscheidet sich von den Industrie-Konstruktionen dadurch, dass sie ein anderes Lebenselement untersuchen und bezeugen. Eine Element, das eigentlich gar nicht bedeutend ist, dass eigentlich gar nicht wert ist herausgehoben zu werden und damit zu einem eigenständigen Objekt, ja sogar zu einem Subjekt zu werden (im Gegensatz zu den großen Industrie-Tieren). Klaus Honnef spricht in seinem Katalogbeitrag von der ‚beklemmenden Stille durch die demonstrative Abwesenheit von Menschen auf den Bildern‘. Ich erlebe das ganz anders. Ich erlebe gerade das Menschliche in den Trinkhallen. Viel stärker als die Industriegiganten (die von einem homo faber zeugen), sprechen sie von einer basalen und ganz einfachen Bedürfnisschicht des Menschen, die aber eine tiefe Lebensverbindung zu diesen Trinkhallen  freilegen kann. Das Kleine und vollgestopfte mit allem, was diese einfachen Bedürfnisse des Menschen zur Befriedigung benötigen, lässt sie geradezu lebendig erscheinen, als kleine Orte des Lebens und der Wärme in einer durchdeklinierten und definierten Wirklichkeit.

Die kleine Trinkhalle in Leverkusen-Manfort ist in eine Ecke gequetscht unterhalb einer sechsspurigen Autobahn (A 3), die die Durchgangsstraße zwischen zwei Stadteilen überspannt. Eine Art Lebenszeichen – hier müssen wohl auch Menschen leben (trinken und essen) in  zunehmend sich technisierenden und funktionalisierenden Räumen. Als ob sich die Industriewesen der Bechers immer mehr in die Umgebung ausbreiten und nur noch letzte Reste und Ecken von Unordnung und Leben zulassen. Die serielle und absolut sachliche Bezeugung  dieses Sachverhaltes im Bild, scheint von der gleichen Funktionalität beherrscht zu sein. Und doch hebt  diese Art der Bild-Bildung  das sichtbar werdende menschliche Weltgestalten in eine Empfindung seiner selbst. Es wird sich seiner selbst empfindend bewusst. Vielleicht gehört zu einer vollständigen Wahrnehmung dieses Zusammenhanges (und dieser Empfindung), dass die Welt sich immer weiter in diese Richtung entwickelt hat, und der Blick zurück in die Anfänge schon geradezu nostalgische Anklänge hat. Heute sind die Trinkhallen noch absurder, als in der Zeit, als diese Fotos entstanden sind!

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Ausstellung 17. November 2017 bis 28. Januar 2018 in der Galerie Schröder und Dörr, Wingertsheide 59, 51427 Bergisch-Gladbach Refrath

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Roland Wiese 23.11.2017

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