Ideales Autorenbildnis des Origenes in einer Handschrift von In Numeros homilia XXVII aus Kloster Schäftlarn, München, Bayerische Staatsbibliothek, clm (codex latinus monacensis) 17092, fol. 130v (ca. 1160) (Man sieht den Zusammenhang von Schreiben und Lebensdrachen R.W.)
In unserem letzten Zoom Treffen am 6. Februar hatten wir erfreulicherweise neue Teilnehmer und ein interessantes Thema, welches sich aus der notwendigen Vorstellungsrunde ergab. Wobei die Teilnehmer jetzt alle dem Arbeits-Zusammenhang ‚Maßstab Mensch‘ angehören, sprich es sind Menschen, die auf Höfen andere Menschen im Leben und Arbeiten begleiten, oder damit in irgendeiner Weise zu tun haben. Da sich dieser Zusammenhang aber über ganz Niedersachsen erstreckt, kennen sich nicht alle Teilnehmer. Wir haben damit, ganz anfänglich, einen Forschungszusammenhang, der konkret und doch in freier Weise mit einem Lebenszusammenhang sozialer Arbeit in Resonanz ist. Ein solches Milieu zu bilden ist schon immer die Intention des Umkreis e.V. gewesen. Martina Rasch nennt dies dann gerne eine ‚sozial wirksame Menschenkunde‘. Wobei es, wenn man einen solchen Resonanzraum von Leben und Forschung bildet, sogar möglich ist bestimmte Wirkungen wahrzunehmen, die sonst eher untergehen. Hintergrund unseres Gespräches, dass man hier nicht in seinen konkreten äußeren Inhalten wiedergeben kann, weil diese dann doch vertraulich sind, war eine ganz bestimmte Schicht des Bewirkens und Erlebens, die einem das Gefühl gibt ‚traumartig‘ unterwegs zu sein. Diese traumartige Wirklichkeit vermittelt einem das Gefühl bei vollem Ich-Bewusstsein i m Leben sich zu bewegen. Normalerweise bewegt man sich ja in sich selbst und steht dem Leben wie gegenüber, oder man taucht ins Leben unter und gerät in seinen Sog. In der Regel ist dann die eigene Wirksamkeit gar nicht so eindeutig, es gibt ein mehr äußeres Arbeiten am Leben/Schicksal und eine mehr verdeckte innere Wirkung, die man gar nicht mitbekommt. Das heißt Bewusstsein und Leben bleiben doch irgendwie getrennt.
Origines, der frühchristliche Philosoph und Theologe, hat einmal die alltägliche Bewusstseinsseite als eine Art Zeichnung beschrieben, diese Zeichnung würde dann nachtodlich mit Farben ausgefüllt, so dass erst nach dem Tode das vollständiges Bild sichtbar würde. Ohne Zeichnung allerdings keine Ausfüllung. Möglicherweise sind wir heute tendenziell dazu in der Lage beide Stufen zusammenzubringen, so dass die Erfüllung und Ausfüllung mit Farben, und das heißt mit einem erlebenden Leben möglich ist. Interessanterweise sind solche Erlebnisse oft auch dadurch geprägt, dass in ihnen neue Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft möglich werden. An einer kleinen Geschichte kann das ganz gut deutlich werden. Martina Rasch hatte mit einer Klientin verabredet mit Hilfe der Akten des Jugendamtes ihre Kindheitsgeschichte zu rekonstruieren. Ein Geschehen, das an sich schon sehr tiefe Schichten berühren kann. Umso erstaunlicher, dass dann in den Akten der Name einer Mitarbeiterin von Maßstab Mensch auftauchte, die damals als Vormund beim Jugendamt gearbeitet hatte. Damals war das für die Vormünderin eine von vielen hunderten Mündeln gewesen, die sie gar nicht wirklich wahrnehmen konnte, auch wenn sie sich immer schon für besondere Fälle engagiert hatte. Der Ausstieg aus dem Amt hatte es ihr ermöglicht jetzt nur noch für das verantwortlich zu sein (in der aktiven Begleitung von Menschen), was auch real zu schaffen war. In der Vergangenheitssuche der Klientin tauchte auch die Vergangenheit der Mitarbeiterin wieder auf und schloss sich ganz neu mit Gegenwart zusammen. Diese Geschichte ist nicht besonders schwerwiegend, und man kann sie leicht abtun als nicht wichtig, aber gerade in der freien Zusammenhänglichkeit liegt ein Entwicklungsmoment, das nicht zu unterschätzen ist und auch noch nicht zu Ende ist. Zeitlich parallel zu dem, dass mir diese Geschichte erzählt wurde habe ich einen alten Aufsatz von 1993 von Wolf-Ulrich Klünker gefunden (aus der Zeit als die DELOS Forschungsstelle in Heidelberg gegründet wurde). In diesem Aufsatz geht es um einem ganz bestimmten geistesgeschichtlichen Zusammenhang der arabischen Überlieferung des Aristotelismus, der dann aber zum Schluss, etwas unvermittelt, in menschenkundliche Fragen der Gegenwart mündet. Er endet dann mit folgender Passage: „ Aus der Beschäftigung mit Aristoteles und seinen entscheidenden christlichen Interpreten (beispielsweise Thomas von Aquin und Albertus Magnus) wird deutlich, dass durch geistige Sensibilisierung eine zweite untergründige Erlebnisebene der Seele freigelegt werden kann. In dieser Schicht seelischen Erlebens ist die Kraft anzutreffen, die auch Träume hervorbringt, die Biographie bestimmt und in der organischen Entwicklung wirkt. Sie ist stets im Bewusstseinshintergrund tätig, tritt deshalb nicht in den Vordergrund des Bewusstseins, weil sie von den massiveren Sinneseindrücken übertönt wird. Gelingt es diese Ebene in die bewusste Aufmerksamkeit zu bringen, so kann dieser Vorgang als ein Erwachen für den eigenen karmischen Zusammenhang erlebt werden.“ Etwas später wird dann noch formuliert, dass ein solches ‚Erwachen‘ nicht dazu führt, dass sich das eigene Schicksal als Abbild zeigt, sondern dass man in dieser Wirklichkeit „proskriptiv“ also Schicksal schreibend wirkt. Erst ein solches Hervorbringen führt dann zu einem wirklichen Erkennen. Unser Beitrag im Umkreis e.V. und bei Maßstab Mensch auch in der sozialen Praxis besteht darin, dass wir das für eine solche Ich-Entwicklung (als Schicksalsentwicklung) das dafür notwendige Milieu bilden wollen. Ich-Entwicklung Begleiten ist ein Versuch einen solchen Raum immer wieder neu und doch auch kontinuierlich zu bilden.
Roland Wiese 24.2.2021
totale Ähnlichkeit mit Elfi http://www.kunstverein-fischerhude.de/vergangene-ausstellungen/angermeyer-start/angermeyer%2019/angermeyer-eroeffnung.html
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Das Bild des Origenes, der Schreiber, der den eigenen Drachen herausschreibt, ist ein auch heute gültiges Bild, proskriptiv- das eigene Schicksal hervorzubringen. So unterstützt Masstab Mensch, mit der Arbeit an der Ich-Psychologie, die Beteiligten darin, dass Geisteswissenschaft persönlich weden kann!
Heute, am 27.02.2021, gedenkt der Bayrische Rundfunk den 160. Geburtstag von Rudolf Steiner. Da ich 10 Jahre in München die Waldorfschule besucht habe, mutet die Beschreibung, was sich damals in München ereignet hat, märchenhaft an. Aber es berührt- und zeigt einmal mehr, in wie weit, meine eigene Biographie, mit dem Menschen Rudolf Steiner und der Stadt München, verbunden ist.
Rudolf Steiners 160. Geburtstag
Anlässlich des 160. Geburtstags von Rudolf Steiner am 27. Februar, beleuchtet Friedemann Beyers Feature ein bedeutsames, bislang kaum beachtetes Kapitel Münchner Kulturgeschichte vor dem Hintergrund des geistigen Klimas der Stadt in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg.
https://www.br.de/radio/bayern2/rudolf-steiner-in-muenchen100.html,
BR2 28.02.21, 20.05 Uhr bis 21.00 Uhr
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