Im Übergang: 2022-2023

Nachdem ich in 2022 schon mit einer neuen Supervisionsgruppe aus der Palliativversorgung begonnen habe, wird im nächsten Jahr eine weitere Gruppe von Pflegekräften und Ärzten aus dieser Arbeit mit Supervision mit mir beginnen. Die Themen sind ähnlich wie in der Sterbebegleitung der Hospizvereine, aber noch deutlicher auf die Frage der praktischen Unterstützung in einer schweren Krankheit ausgerichtet. Gleichzeitig gehört zur palliativen Arbeit, dass die meisten Patient*innen sterben. Der Umgang mit Sterben und Tod ist ein zentrales Geschehen in dieser Arbeit und gibt ihr dadurch auch ihre Bedeutung.

Unsere Gruppe ‚Ich-Entwicklung begleiten‘ hat sich in den letzten Treffen mit der Frage nach der Biografie des Ich auseinandergesetzt. Das wollen wir im nächsten Jahr weiterbearbeiten. Im Zentrum steht dabei die Frage nach dem Verhältnis von Ich und Geistselbst.

Die Arbeitsgruppe zur Frage der Sinne des Ich wird auch im nächsten Jahr sich weiter treffen. Hier standen therapeutische Fragestellungen zuletzt im Mittelpunkt.

Neu war für mich die Einladung zu einem Forschungskolloquium von David Richardoz in Alfter. Vielleicht geht es auch hier weiter. Ich würde mich freuen!

Eine weiteres Forschungskolloquium der DELOS Forschungsstelle hat in den letzten Zoom-Veranstaltungen auch eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung mit Schicksalsfragen begonnen. Auch hier ist die Frage nach der Beziehung zu Verstorbenen ein zentrales Thema.

Im Zuge meines Rückzuges aus der operativen Arbeit in der GESO hoffe ich auch wieder freie Kapazitäten für neue eigene Seminarangebote zu bekommen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach einem eigenen Ort hier in Horstedt für solche Angebote!

Aber vor allem hoffe ich Zeit zum Schreiben für meine eigene Forschungsarbeit, bzw. die gemeinsame Arbeit mit den Freunden von der DELOS Forschungsstelle zu bekommen. Wir haben ja immer noch die Fortsetzung des Buches ‚Die Psychologie des Ich‘ im Blick. Hier soll es vor allem um das periphere Ich gehen.

Dies alles in einer sehr schwierigen und schweren historischen Situation als Zeitlage.

Roland Wiese 30.12.2022

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Persönliches – Überpersönliches 2022/2023

Auf dem Foto über diesem Text sieht man ein Grundstück, welches der Umkreis e.V. im letzten Jahr erworben hat. Auf dem Grundstück stand ein Haus, in diesem Haus wohnte unser Nachbar, der vor 2 Jahren verstorben ist. Wir haben dieses Grundstück, als Verein aus mehreren Gründen erworben. Wir wollten es als Ganzes erhalten, also verhindern, dass es in einzelne Baugrundstücke aufgeteilt wird und dann mit Häusern bebaut wird. Das Grundstück ist die alte ‚Schulwiese‘ der früheren Dorfschule von Horstedt, die man im Hintergrund sieht. Diese ist heute das Gemeindehaus der Kirche mit einem kleinen Wohnhaus angeschlossen, in dem sehr lange unsere Freundin Ursula Korff wohnte. Rechts neben dem Grundstück, neben den großen Linden, befindet sich der Friedhof des Dorfes, und auf der anderen Seite die Kirche. Unsere eigenen Grundstücke und Häuser grenzen auch daran. In unseren Räumen (Rasch/Wiese) ist bisher der Umkreis e.V. beheimatet, mit Büros und Arbeitsräumen und Atelier.

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Wo bin ich?

Foto: Roland Wiese, Salzwiesen Spiekeroog

Psychologie der Physiologie

„Wert legen auf Psychologie und psychologisches Wirken.

Die Psychologie muß aus der Bewusstseinsseele neu  begründet werden.

Die Psychologie sollte aber keine neue Theorie, sondern eine spirituelle Betätigung werden, mit der man dem Niedergang entgegenarbeitet, denn Menschen verlieren das Seelische. Das wäre ihre anthroposophische Aufgabe.“

(Notiz von Franz Löffler nach einem Gespräch mit Dr. Steiner am 6.Juli 1924)

Wenn heute der Begriff ‚Psychologie‘ gebraucht wird, dann ist nicht so wirklich deutlich, was damit eigentlich gemeint ist. Die Psychologie als Wissenschaft, aber auch als angewandte Technik, schwankt zwischen empirischer Wissenschaft mit einer Anlehnung an die Naturwissenschaft und einer Art Rest Psychologie mit philosophisch ernst zu nehmendem Anspruch. Diese zweite Form der Psychologie ist aktuell meist eine Art anthropologischer Phänomenologie oder auch phänomenologischer Anthropologie. Als Drittes existiert Psychologie noch als Wissenschaft, die den verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren zugrunde liegt, also Tiefenpsychologie und Verhaltenspsychologie. Aus dieser dritten Schicht speist sich wesentlich das allgemeine Selbsterleben und die Selbstanschauung. Insofern kann man berechtigt von einem psychoanalytischen Jahrhundert sprechen, was das menschliche Selbstverständnis angeht.  Was bisher nicht wirklich entstanden ist, ist eine Psychologie als eine Art menschlicher Zentralwissenschaft, die eigentlich in allen Wissenschaften als menschliches Dabei Sein der Ausgangs- und Zielpunkt ist. So versteht sich aber ganz explizit die ‚Psychologie des Ich‘, die wir im Rahmen der Forschungsstelle für Psychologie DELOS erarbeiten (Buchveröffentlichung 2016: ‚Psychologie des Ich‘). Es geht in dieser Arbeit nicht nur um eine Psychologie im engeren Sinne, eine Psychologie der Seele. Eine wirkliche Psychologie des Ich ist immer auch eine Psychologie der Natur, eine Psychologie des Geistes usw. Eine solches Verständnis von Wissenschaftlichkeit würde den erlebenden Menschen nicht aus der Forschung herausnehmen, sondern ihn gerade als Mittelpunkt, also Ausgangspunkt und Zielpunkt sehen. In und mit der Psychologie entwickelt der Mensch sein sich selbst Verstehen und sein sich selbst Erleben in der Welt. Psychologie berührt als Wissenschaft immer auch die existenzielle Verfasstheit des einzelnen Menschen. Ihre Begriffe sind in ihrer Wirkung auf das Leben der Menschen direkt spürbar. In ihnen und durch sie erlebt der Mensch sich und die Welt. Insofern hat die Psychologie die Theologie und die Philosophie abgelöst. In den letzten 200 Jahren hat sich die Psychologie aber als ‚schwache Wissenschaft‘ gezeigt. Sie hat sich der naturwissenschaftlichen und technischen Entwicklung als nicht gewachsen gezeigt und deren Methoden und Grundannahmen übernommen. Dies zeigt sich bspw. in der physiologischen Psychologie und Neurologie des 19. Jahrhunderts. Die empirischen Befunde dieser Psychologie überformten die eigentliche Psychologie und das menschliche Erleben wurde zum Effekt der Physiologie. Nicht die Ergebnisse der Forschungen sind das Problem, das Problem ist die geistige Schwäche der Psychologie, die sich in den Befunden verliert.

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Die Empfindung des Schicksals

Die Lesungen und Erläuterungen aus dem Buch ‚Die Empfindung des Schicksals‘ von Wolf-Ulrich Klünker sind jetzt mit der Folge 30 bei der Frage angelangt, wie sich die Ich-Entwicklung in Bezug auf unterschiedliche Inkarnationen zeigt oder auch in einer Inkarnation heute schon so zeigen kann, wie früher nur in zwei Inkarnationen.

Lochkamerabild von Ramona Rehn von Wolf-Ulrich Klünker in der Forschungsstelle in Eichwalde

Die Biografie des Ich

Nächste Woche haben wir ein Treffen der Gruppe ‚Ich-Entwicklung begleiten‘ und in den letzten Treffen haben wir uns damit beschäftigt, was eigentlich eine Biografie des Ich ist, im Unterschied zu einer Biografie, die mehr auf seelische Erfahrungen und Erlebnisse schaut. Natürlich ist ein solcher Unterschied nicht trennscharf zu denken, es geht mehr um eine Tendenz zur ‚Ich-Linie‘, als um eine vollständige Trennung. Da beim letzten Treffen auch gewünscht wurde eine textliche Grundlage für das Gespräch zu haben, hier der entsprechende Versuch zum Thema, der sich natürlich nur als ein Ansatz, eine Perspektive versteht…

Vorbemerkungen

Beginnen möchte ich mit einer interessanten biografischen Erfahrung aus der letzten Zeit. Ich habe letztens durch eine Anregung von außen ein Buch von Rudolf Steiner in die Hand genommen, das ich, so dachte ich, noch nie gelesen habe: ‚Briefe an die Mitglieder 1924‘. Also ein ganz spätes Buch von Steiner, das er im letzten Jahr vor seinem Tod geschrieben hat. Das Buch scheint 1999 zu uns gekommen zu sein. Als ich darin herumblättere, finde ich auf Seite 67 im vorletzten Mitgliederbrief vom 13. Juli 1924 eine Stelle, die an der Seite mit Bleistift angestrichen ist. Weder kann ich mich daran erinnern diese Stelle angestrichen zu haben, noch kann ich mich an den Inhalt der Stelle erinnern (und das bei meinem berüchtigten eidetischen Gedächtnis). Der Inhalt dieser Stelle war aber für das Thema, das ich hier behandeln möchte, durchaus interessant. Hier ein Auszug: „Anthroposophie zeigt im weiteren: Es gibt ein Erleben des Schicksals, in dem man nicht das Selbst verliert. Man kann auch im Schicksal noch sich selbst als wirksam erleben.(…) Statt in die Welt hineinzustarren, in Glück und Unglück das Ich auf ihren Wellen trägt, findet man dfas Ich, das wollend das eigene Schicksal gestaltet“ (Der gesamte Text wird unten als PDF angefügt). (Für die Zeitgenossen, die aktuell gerade eine solche Schicksals-Forschung dadurch ad absurdum führen wollen, indem sie immer von Schuld und Ursachen usw. sprechen: Hier geht es um ‚Wirksamkeit‘ und ‚Gestaltung‘!)

Aus der Ich-Perspektive geschaut könnte man denken (!), da hat der, der ich vor 23 Jahren war, eine Stelle angestrichen, die jetzt (erst) für mich so relevant wird, dass ich damit produktiv werde. Einen solchen Zusammenhang zu denken, wäre aber heute eher unüblich. Man müsste, um einen solchen Zusammenhang zu denken, eine Instanz annehmen, die vorlaufend etwas anlegt, das sich erst später bewusst einlöst. Wir haben eine solche Instanz, in einem früheren Beitrag einmal als Geistselbst benannt und  charakterisiert. Das Geistselbst als Vorläufer und Grundlage der Ich-Entwicklung. „Vorlaufendes Geistselbst würde dann bedeuten, dass in der Tat das unsterbliche Ich als gestaltetes Geistselbst im Ich verankert ist, aber in der faktischen Ich-Entwicklung <<vergessen>> wird, um frei und eigeninitiativ hervorgebracht zu werden.“ (Klünker, Wer ist Johannes? , S. 128, Stuttgart 2006). Nimmt man diese Charakterisierung des Verhältnisses von Geistselbst und Ich-Entwicklung einmal als Okkular auf die eigene Biografie, dann wird man ganz anders auf diese Biografie schauen. Man wird dann bestimmte Erlebnisse nicht mehr als organische Folge der Lebensentwicklung anschauen, sondern man wird genau umgekehrt das Aufblitzen des Geistselbst in der Biografie bemerken können. Ein Aufblitzen, das aber wie vorlaufend, noch nicht zu einer Einlösung und Integration im Leben führt, sondern erst viel später der eigenen Ich-Entwicklung entspricht und erst durch diese dann einen Ich-Zusammenhang, eine Ich-Linie ergibt. Das von mir hier vorgebrachte Beispiel ist wiederum ein Beispiel für einen Ich-Zusammenhang, der mehr die geistige Ich-Linie repräsentiert. Wir hatten im letzten Treffen auch darüber gesprochen, dass es möglicherweise zwei Ich-Linien geben könnte, eine die mehr die geistige Ich-Entwicklung zeigt und eine, die mehr die Entwicklung im Schicksalsbereich freilegt. Natürlich sind auch diese beiden Linien nicht voneinander zu trennen, und doch können wir jede von ihnen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet werden.

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