Ich als Wahrnehmungsorgan

Zweig

„Das Ich ist nicht ein innerhalb des Leibes verortbarer, finstrer Punkt – eben ein Atom –, der als von der Welt getrennt betrachtet werden soll. Das Ich ist im Gegenteil eine unverortbare Mitte aus unerschöpflicher geistiger Wärme, die augenblicklich eine unendliche Sphäre aus geistigem Lichte gebiert, in dem sich andere Wesen durch die Begegnung mit seiner Wärme und mit seinem Licht frei und stimmig offenbaren können.“

Welche Fähigkeiten hat das Ich, die es ihm ermöglichen, ein Instrument der Wissenschaft zu sein?

In der aktuellen Ausgabe der Wochenschrift  Das Goetheanum (Ausgabe 13 /2021) hat Salvatore Lavecchia seine Forschungen zum Ich skizziert. Er schreibt dort, dass er in der antiken und auch späteren Philosophie im „Urgrund aller Bewusstseins- und Seinsformen“ das urbildhafte Selbst/Ich finden konnte, also ein makrokosmisches Ur-Ich als geistige Wärme- und Lichtquelle. Ihm fehlte aber bisher der mikrokosmische Partner des großen Ich-Dialogs. „Wo finde ich im mikrokosmischen, irdischen Ich die gleiche urbildhafte dialogische Gebärde, die im Horizont von Platon und Plotin das makrokosmische Ur-Selbst/Ich charakterisiert? Diese Frage beschäftigte mich jahrelang.“ Er findet einen grundlegenden Ansatz in den  Untersuchungen Rudolf Steiners zur Wahrnehmung im Fragment  ‚Anthroposophie‘ (1910). 

„Durch diese Frage geführt, begegnete ich vor einigen Jahren dem bis dahin vernachlässigten Anfang einer unvollendeten Betrachtung Steiners zu Hören und Sprechen: Der Typus, das heißt das Urbild, die Idee eines Wahrnehmungsorgans hängt mit der Fähigkeit zusammen, in sich das Bild eines gleichen fremden Ich gegenwärtig machen zu können. Urbild aller unserer Sinnesorgane und -tätigkeiten ist demzufolge das wahrnehmende Ich, das in der Begegnung mit einem anderen Ich in sich eben das Bild jenes Ich vergegenwärtigen kann. Dies bedeutet, dass alle, auch die elementarsten Begegnungen mit der Welt, die sich durch die Sinneswahrnehmung ereignen, als Annäherungen zur Wahrnehmungsqualität vertieft werden sollten, die in der Begegnung zwischen Ichwesen offenbar wird. Diese Qualität hat wiederum nichts mit einer Selbstbehauptung des wahrnehmenden Ich zu tun, sondern mit seiner Fähigkeit, die autonome Offenbarung des anderen Ich uneingeschränkt zu ermöglichen und zu empfangen. Diese Fähigkeit impliziert jedoch gerade jene urdialogische Gebärde, jenes urdialogische Bild des irdischen Ich, das ich suchte! Sie widerspricht nämlich der atomistischen Ich-Vorstellung und klingt mit dem Bild einer Mitte/Sphäre aus geistiger Wärme und geistigem Lichte zusammen, das mir durch die Forschungen im Gebiet der antiken Philosophie begegnete. Hiermit handelt es sich also nicht darum, Steiners Aussage zum Typus des Wahrnehmungsorgans als Glaubensinhalt passiv zu betrachten, sondern als Forschungsfrage, als Anregung zu einer neuartigen, aussichtsreichen Vertiefung des Sinnesorganismus schöpferisch wahrzunehmen, zu verstehen, zu prüfen.“

Wir haben hier in unserem Forschungszusammenhang diese Frage des Ich in der Wahrnehmung oder auch die Sinne des Ich ebenfalls mit Hilfe des Fragments untersucht. Insofern ist es interessant, das S. Lavecchia hier auf ähnlichem Wege unterwegs ist. Für uns ist dabei von Interesse, wie sich die Sinne in Richtung auf das Ich  und mit dem Ich weiterentwickeln, so z.B. die Frage, was wird aus dem Tastsinn, wenn er immer mehr zur Empfindung für Zukünftiges in der Gegenwart wird? S. Lavecchia stellt mit Recht die Frage, was für eine Wissenschaft sich daraus entwickeln müsste, wenn „das Wirken des Ich als Typus eines Wahrnehmungsorgans ernst“ genommen würde „und als Substanz der eigenen Methode in der Begegnung mit allen Dimensionen der Wirklichkeit erleben würde. Diese Wissenschaft würde demzufolge eine Umkehrung der Perspektive im Verhältnis zur üblicherweise anerkannten Wissenschaft bedeuten, und Gesetzmäßigkeit wäre hier nicht Standardisierung  oder Algorithmisierung, sondern Geburtshilfe für das Einmalige, das Plötzliche, das Schöpferische.“ 

https://dasgoetheanum.com/ich-als-methode/

Roland Wiese, Ostern 2021

Arbeit und Ich-Entwicklung

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Letzte Woche habe ich auf dem Bauckhof Stütensen mit den Mitarbeitern an der Frage gearbeitet, wie die eigene Ich-Entwicklung mit der Entwicklung der Menschen in der Werkstatt zusammenhängt. Dabei stand natürlich erst einmal die Frage im Raum, was Ich-Entwicklung ist. Hier das Handout der Fortbildung. Mit dem Bauckhof Stütensen und seinen Mitarbeiter*innen bin ich schon lange verbunden. Schon in den neunziger Jahren habe ich sie in ihren Entwicklungen begleitet. Ich freue mich, wenn ich dort bin, immer über die schöne Entwicklung, die der Ort in den Jahrzehnten vollzogen hat. Insofern spiegelt der Ort auch meine eigene Entwicklung der letzten 25 Jahre. (Das Foto ist von der Webseite und zeigt ganz gut die Entwicklung des Ortes)

https://www.bauckhof.de/muehle-hoefe/bauckhof-stuetensen/

Einleitung

Wir müssen heute zwangsläufig miteinander forschen! Denn es gibt zwar einiges Material zur Frage von Biografie, auch zur Frage der Ich-Entwicklung gibt es viel Material, aber es gibt wenig bis gar nichts an Material über den hier hergestellten Zusammenhang. Das ist hier heute also mehr Forschungs-Werkstatt als Fortbildung!

Aber der erste Schritt wird sein, dass wir uns selbst als Forschungsgegenstand  nehmen. Wir werden also in der ersten Einheit mit einigen Grundfragen exemplarisch das Gebiet ausleuchten. In der zweiten Einheit werde ich etwas aus der Ich-Entwicklung beitragen.

Man konnte noch bis zum letzten Drittel des 20. Jahrhunderts von echten Arbeitsbiografien sprechen. Zu den einzelnen Arbeitsgebieten gehörten richtige Kultur-Milieus, wenn man z.B. ans Ruhrgebiet denkt. Im Zuge der forcierten Individualisierung ist dies alles aufgebrochen, die äußere Durchgängigkeit der Biografie, die äußere Linearität ist immer weniger vorhanden. Es ist mehr Raum da für individuelle Bewegungen, aber gleichzeitig auch für große Unsicherheiten. Was soll ich werden, was soll ich tun, werde ich gebraucht? Und diese Fragen stellen sich nicht nur am Anfang der Berufsbiografie, sondern permanent neu. Dazu kommen noch die Fragen, die aus den Beziehungen zu Partnern in die Arbeitsbiografie hineinwirken. Dies gilt zunehmend auch für die berufliche Entwicklung von Menschen mit Behinderungen. Auch da öffnen sich immer mehr Möglichkeiten für eine eigenständige Entwicklung nach dem persönlichen Interesse. Aber da stehen wir erst am Anfang!

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Anthroposophische Psychologie

Seit 2014 ist Wolf-Ulrich Klünker Professor für Philosophie und Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie am Institut für philosophische und ästhetische Bildung der Alanus Hochschule in Alfter (Bonn). Das Institut ist verantwortlich für das Studium Generale, das alle Studenten in ihrer Ausbildung begleitet. Die Professur Wolf-Ulrich Klünkers ist die einzige weltweit, die sich so explizit mit den Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie befasst. Seit einigen Jahren unterrichtet Ramona Rehn dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit Wolf-Ulrich Klünker gemeinsam. Die gemeinsame Arbeit der Beiden hat eine sehr positive Resonanz bei den Studierenden. Aber Verstärkung ist dringend nötig! Jetzt sucht das Institut zum 1.5.2021 eine Lehrkraft für besondere Aufgaben mit einer 50 % Stelle. Ich stelle die Ausschreibung hier im Blog ein, weil es nicht ganz unwichtig ist, wer sich jetzt an diesem Punkt der Entwicklung der Arbeit dort dazustellt. Es geht um eine Stelle für Psychologie mit dem Schwerpunkt anthroposophischer Psy­cho­logie und es geht um „Mithilfe beim Aufbau und der Entwicklung des wissenschaftlichen Schwerpunkts Anthroposophie und Psychologie, insbesondere in Zusammenarbeit mit der Professur für Philosophie und Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie“ ( aus der Auschreibung).

Alanus Hochschule_Stellenausschreibung LbA Psychologie_03-2021

‚Neue Landschaft‘

Bilder von Elfi Wiese im Königin-Christinen-Haus

Heute am Sonntag den 7.3.2021 hätte eigentlich die Ausstellung eröffnet werden sollen. Das geht noch nicht! Trotz der Einschränkungen wurde die Ausstellung jetzt aber gehängt. Und da sie noch einige Zeit dauert besteht auch die Hoffnung die Eröffnung nachzuholen.