Die Entwicklung des Ich

In der letzten Zeit habe ich hier wenig inhaltliche Beiträge, sprich Aufsätze veröffentlicht. Stattdessen waren einige interessante Veranstaltungen dabei, bei denen ich Redebeiträge hatte, für mich auch ein neues Format. Demnächst bin ich mit Martina Rasch in der Uni Bremen, wo ich als Experte zum Thema grüne Sozialarbeit interviewt werde. Aber ich habe trotzdem die ganze Zeit geschrieben. Seit September arbeite ich an einem Buch mit dem Titel ‚ Die Entwicklung des Ich‘. Die Rohfassung ist inzwischen fertig und die ersten Testleser und Testleserinnen sind dabei aus verschiedenen Perspektiven zu prüfen, ob das was ich da geschrieben habe Sinn gibt und auch gut zu lesen ist.

Das Buch behandelt die ‚Entwicklung des Ich‘ durch die Geistesgeschichte, sprich von Aristoteles über das Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Im 2. Teil zum 20. Jahrhundert geht es um den Entwicklungssprung des HpK und auch um die amerikanische Ich-Psychologie von Jane Loevinger und Robert Kegan. Im dritten Teil, das 21. Jahrhundert betreffend, schildere ich ausführlich die Forschungen Wolf-Ulrich Klünkers zur Ich-Entwicklung. In einem vierten Teil geht es um Themen im Zusammenhang mit der Ich-Entwicklung, die sich mir durch meine eigenen praktischen Zugänge ergeben haben. Naheliegend das Thema Sinne und Ich, Psychiatrie und Recovery, und natürlich auch das Thema Sterbebegleitung und Tod.

Die Rohfassung hat jetzt ca. 160 Seiten. Ich bin gleichzeitig dabei jetzt eine korrigierte Fassung zu überarbeiten. Und ich stelle mir die Frage, wie ich das Buch veröffentlichen will. Verlag oder self-publishing sind die Alternativen und ich prüfe gerade, welche Form zu mir und dem Buch am besten passt.

Es war auf jeden Fall für mich eine sehr angenehme Situation, jetzt nach meinem Ausscheiden aus der Leitungsarbeit in der GESO, mal eine längere Form, kontinuierlich jeden Tag ohne Ablenkung, denken und schreiben zu können. Wenn das Buch fertig ist und erscheint, werde ich es hier noch einmal ausführlich vorstellen.

Roland Wiese 23.4.2024

25 Jahre GESO

Unseren 25. Geburtstag haben wir am Freitag den 5.4.2024 im Ratssaal in Rotenburg gefeiert. Mit über 100 Gästen, darunter viele Mitarbeiter*innen und Klient*innen, aber auch die drei Bürgermeister der Städte Rotenburg, Zeven und Bremervörde, dem Landrat des Landkreises Rotenburg, der Vorsitzenden des Paritätischen in Niedersachsen Kerstin Tack und Jörg Kehlenbeck von der psychiatrischen Klinik in Rotenburg. (Unten findet sich mein Redebeitrag, der die Anfänge der GESO als Thema hat). Hier als PDF zum Herunterladen.

Video und Fotos von Christiane Bachmann

25 Jahre GESO

„Ich will den einzelnen Menschen sehen“

Liebe Gäste, ich freue mich mit Ihnen/Euch heute unseren 25. Geburtstag Im Ratssaal von Rotenburg zu feiern. Und ich möchte mich bei allen bedanken, die den heutigen Tag möglich gemacht haben. Vor allem natürlich beim Bürgermeister und Gastgeber hier in Rotenburg!

Als erster von uns dreien, die etwas von der GESO erzählen wollen, möchte ich als  Beteiligter von Beginn an, einen Blick auf unsere Anfänge werfen, auf die Entwicklung der GESO. Denn wenn man richtig hinschaut, kann man in den vielen Anfängen in den letzten 25 Jahren ein wichtiges Prinzip, gewissermaßen unsere DNA finden, und diese zu kennen, ist vielleicht auch für die Gegenwart und Zukunft wichtig.

Die GESO steht ja für Sozialpsychiatrie und für ein gemeindenahes Angebot für Menschen, die psychisch erkrankt sind oder waren. Aber für mich war das Psychiatrische nie das vordergründige Thema. Für mich waren es immer ganz konkrete einzelne Menschen, denen ich in ihrem Leben begegnet bin und die Unterstützung wollten und brauchten.

Unsere Geburtstagsfeier für die GESO steht ja unter einem bestimmten Motto. Auf Ihrer/eurer Einladungskarte finden Sie, findet ihr den Satz: Ich will den Menschen sehen. Dieser Satz könnte auch so eine Art Leitbild Motto sein, wie ihn Einrichtungen sich heute gerne auf die Fahne schreiben: Der Mensch im Mittelpunkt! Klingt immer ein bisschen bedrohlich und meist steht doch die Einrichtung selbst im Mittelpunkt.  Der Satz ist auch so nicht ganz komplett . Er hieß eigentlich: Ich will den einzelnen Menschen sehen! Klingt schon etwas konkreter.  Und der Satz fiel in einem Gespräch der Gesellschafter der GESO im Hinblick auf unser Jubiläum. Gesagt hat ihn von Andreas von Glahn, ich habe ihn gehört und hatte das Gefühl, dieser Satz trifft eigentlich ziemlich genau das, was die DNA der GESO und auch die DNA  ihrer Gesellschafter, also Tandem, Umkreis und Steinfelder Wohngruppen,  ist. Hätte ich den Satz nicht gehört! und hätte ihn beachtet und etwas aus ihm herausgehört, und ihn  aufgegriffen,  gäbe es diesen Satz jetzt nicht heute hier als Motto unserer Veranstaltung. Also wessen Satz ist das jetzt eigentlich? Vielleicht unser gemeinsamer? Wer sagt etwas, wer hört es?

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Über mich

Aktuell arbeite ich als Supervisor mit 6 Gruppen  Sterbebegleiter*innen und Trauerbegleiter*innen von  Hospizvereinen und 2 Gruppen von Fachkräften in der ambulanten Palliativversorgung. 

Ich begleite die Bremer Lebensgemeinschaft (Sozialtherapie) in fachlichen Fragen zu den Bewohner*innen und in der Selbstentwicklung der Mitarbeiter*innen.

Ich biete auch Einzelberatung und Begleitung an.

Im Rahmen des Umkreis e.V. arbeite ich zusammen mit Martina Rasch mit einer Gruppe ‚Ich-Entwicklung begleiten‘.

Ich biete auch Inhouse Fortbildungen zum Thema ‚Ich-Entwicklung‘ an.

Im Zusammenhang mit der DELOS-Forschungsstelle für Psychologie (Eichwalde bei Berlin) beteilige ich mich an Seminaren und Fortbildungen im Rahmen des Freien Bildungswerks Rheinland (Waldorfpädagogik und Anthroposophie) und an Kolloquien und Seminaren an der Alanus-Hochschule.

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Die Overbecks und wir – neu sortiert!

Forschungswege mit der Farbe – Tod und Auferstehung der Farbe

Es könnte sein, dass das was ich jetzt schreibe, schwierig zu verstehen ist. Weil es ein ziemlich abstrakter Zusammenhang ist, der in mir aber ein nächster Schritt in meinen Forschungswegen mit der Farbe ist. Und weil das, was ich jetzt darstellen möchte mit seinem äußeren Gegenstand, einer  Ausstellung in Bremen im Overbeck-Museum, auf den ersten Blick auch nicht so viel zu tun hat. Vielleicht aber doch. Die Forschungswege mit der Farbe sind ein Geschehen, das immer wieder neu angeregt wird durch äußere Geschehnisse, z.B. Ausstellungen von Malern und Malerinnen, dann aber in mir einen Weg fortsetzt, der mehr ein denkerischer Zusammenhang ist. Es handelt sich also nicht um eine künstlerische Bewertung oder Beurteilung. Mich interessiert wirklich der Forschungs-Weg, der Künstler und Künstlerinnen, wie auch mein eigener mit der Farbe. (Auf diesem Blog gibt es ja einige Beiträge dazu).

Der aktuelle Gegenstand, der diese Spur in mir wieder aufweckte, ist die Ausstellung ‚Die Overbecks – neu sortiert‘ , heute am 4. Februar im Overbeck-Museum in Bremen Vegesack eröffnet (bis 14. April dort noch zu sehen). Das Museum ist gewissermaßen das Zuhause der Bilder von Fritz und Hermine Overbeck. ‚Neu sortiert‘ bedeutet ganz konkret, neben den Bildern der Overbecks hängen jetzt Bilder der Malerin Ulrike Brockmann. Und ‚neu sortiert‘ bedeutet auch, diese Bilder sind Teil einer (Forschungs-)Werkreihe von Ulrike Brockmann, die sie ‚Sortiertes Sehen‘ nennt.

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Heilpädagogischer Kurs

Heute brachte die Post den Rundbrief des ‚Haus Sonnleiten‘, das zum Sozialtherapeutikum Steiermark in Österreich gehört.

Reinhold Hammer, ein Mitarbeiter und Redakteur des Rundbriefes, hat dort einen Aufsatz von mir, ‚Die Psychologie des Heilpädagogischen Kurses‘ ,den er auf meinem Blog gefunden hat, abgedruckt. Das freut mich, das dieser kleine Aufsatz, nach einem Vortrag im Bauckhof, über meinen Blog, wo er viel aufgerufen wird, seinen Weg in die Steiermark in die Sozialtherapie gefunden hat. Danke dafür, Reinhold Hammer!

Rückschau und Ausschau: 2023/2024

Der Rest von meiner Abschiedstorte

Dieses Jahr 2023 war für mich schon ein besonderes Jahr! Die erste Hälfte bestand im wesentlichen daraus einen Nachfolger für meine Tätigkeit, oder zumindest für einen Teil meiner Tätigkeit in der Leitung der GESO zu finden. Glücklicherweise hat sich dann in letzter Minute Michael Hüppe eingefunden, der dann ab 1.4. 2023 mein Büro in Rotenburg übernommen hat, und der sich dann mit meiner Unterstützung in die fachliche Leitung  eingearbeitet hat. Seine Erfahrung und fachliche und menschliche Reife war wohltuend und hat es mir sehr leicht gemacht meinen Posten zu räumen. Am 2. Juni fand dann im Rahmen eines großen und musikalischen Sommerfestes meine Verabschiedung  statt. Die vielen Grüße und Briefe meiner Kollegen und Kolleginnen machten mir erst so wirklich deutlich, welche Wirksamkeit und welche Bedeutung meine Tätigkeit für sie gehabt hat. Ich habe sehr viel Dankbarkeit gespürt – wechselseitig! Nach 24 Jahren gemeinsamen Aufbaus von unterstützenden Angeboten für Menschen mit psychischer Erkrankung in der Region hier bin ich sehr erfüllt von dem, was wir zusammen geschafft haben.

Aber die Zeit war auch reif für diesen Übergang und den Wechsel, sowohl für die GESO wie auch für mich. Deshalb habe ich auch keine Wehmut oder andere Verlustempfindungen erlebt. Stattdessen Neugier und Freude für die andere noch ‚kleine‘ Seite des Jahres 2023. Denn im ‚Schatten‘ des Ausstiegs sind in diesem Jahr kleine,  aber feine ‚Aufschläge‘ erfolgt, bei denen ich gespannt bin, wie sie weitergehen. Von außen, das heißt durch Anfragen von anderen Menschen habe ich an Fachtagen mit Studenten und Studentinnen in Horstedt teilgenommen, an der Uni Witzenhausen an der Tagung ‚Soziale Landwirtschaft‘, an der Ausbildung der Sterbebegleiterinnen, an der Hochschule in Alfter von der Sterbebegleitung und von der Sozialen Landwirtschaft erzählt. Alles Situationen, die für mich neu waren, ich stehe auch nicht gerne auf der Bühne, die aber, weil ich etwas teilen konnte aus einer tiefen und langen Erfahrung, für mich und auch für die Beteiligten freudige Ereignisse waren. Ich habe das genossen!

Neu ist auch, dass ich im Herbst, nach einer gewissen Übergangszeit, begonnen habe, das Thema ‚Ich-Entwicklung‘ etwas ausführlicher und systematischer zu erarbeiten. Da bin ich noch mittendrin. Aber es zeigt sich auch hier, dass die Grundlage einer langjährigen und vielfältigen Arbeit mit und an diesem Thema es mir eigentlich leicht macht, das Gebiet jetzt einmal umfassender abzuschreiten. Bisher konnte ich in unseren Treffen und in meinem Blog immer nur kurze einzelne Aspekte anschneiden, da der Atem für einen gründlicheren Angang nicht ausreichte, solange ich noch in der GESO in Verantwortung stand. (Man unterschätzt leicht welche, meist nicht bemerkte Last doch mit einer solchen Verantwortung einher geht. Man bemerkt dies erst so richtig, wenn die Last nicht mehr da ist!)

Mehr unbemerkt hat sich meine Tätigkeit an und in meinem Blog dahingehend erweitert, dass ich auch ‚Redakteur‘ für die Webseiten der Delos-Forschungsstelle und des Umkreis e.V. geworden bin. Das ist umso schöner, dass alle drei Seiten doch inhaltlich stark miteinander verbunden sind. Aber diese Tätigkeit, vor allem natürlich auch mit diesem Blog hier, macht ebenfalls viel Freude. Mein Blog gibt mir ja die Freiheit die unterschiedlichen Themen, mit denen ich mich schon lange beschäftige, in einen Zusammenhang zu bringen, also Dinge die normalerweise in verschiede Sparten aufgeteilt werden als Zusammenhang deutlich werden zu lassen. (Ähnlich ist es bei der Umkreis-Seite, wo verschiedene Menschen mit und in ihren individuellen Projekten aus einem geistigen Zusammenhang heraus wirken, den sie  sich selber geschaffen haben).

Sehr dankbar bin ich den vielen Menschen, die diesen Blog besuchen. Es werden immer noch mehr Menschen und mehr Aufrufe – 2150 im letzten Jahr mit 7500 Aufrufen. Für einen Blog wie diesen, mit viel Text (und wenig Videos) schon eine ganz gute Zahl! Es lohnt sich also, kontinuierlich schreibend an seinen Themen dranzubleiben. Dies erscheint mir umso wichtiger als ein doch sehr geschlossenes und enges Milieu von ‚Anthroposophie‘ bzw. geistiger Wissenschaft, und damit auch entsprechende Veröffentlichungsmöglichkeiten, immer mehr schwindet. Es würde mich freuen, wenn sich die Wahrnehmung des Blogs  dagegen immer weiter ausdehnt (gegen die Verengung!). Ihr als Besucher könnt gerne Beiträge auf euren Plattformen teilen und man kann den Blog auch abonnieren.

Im nächsten Jahre warten auf mich neue Aufgaben in der Supervision. Neue Gruppen in der Sterbebegleitung und der Palliativpflege kommen wahrscheinlich ab Januar dazu. Und in der Sozialtherapie habe ich wieder begonnen fallweise mit den Kollegen und Kolleginnen zu arbeiten. Da ergeben sich spannende inhaltliche Perspektiven für beide Seiten. Es gibt auch Anfragen zu Fortbildungen – ich bin gespannt, was sich sonst noch zeigen wird!

Eine gute Weihnachtszeit!

Roland Wiese 23.12.2023

Einige Bilder meiner Verabschiedung am 2. Juni 23 auf dem Gärtnerhof Badenstedt:

Wirklichkeiten und Geschichten

Foto: R. Wiese, Alanus Hochschule, Gästehaus und Rheinebene,

Am Montag (11.12.) hatte ich eine schöne und gute Arbeit mit Studentinnen und Studenten in der Alanus-Hochschule (Alfter/Bonn) zum Thema Sterbebegleitung und Hospizbewegung. Im Rahmen der Psychologie Vorlesung von Wolf-Ulrich Klünker war ich als Gast eingeladen aus meiner Arbeit als Supervisor in diesem Bereich zu berichten. Wir haben eingehend über die schon in anderen Beiträgen angesprochene besondere Wirklichkeit des Sterbens als Übergangsraum zwischen Leben und Tod gesprochen. Aus den Rückmeldungen habe ich den Eindruck gewonnen, dass es nicht nur ein ‚Über‘ Sprechen war, sondern auch ein anfängliches ‚Drinnen-Sein‘ in dieser Empfindungs-Wirklichkeit. Was wiederum auch ein Spezifikum dieser geistig-seelischen Wirklichkeitsarten um Geburt und Tod herum ist, dass sie über die konkrete Wirklichkeitssituation hinausstrahlen können. Wir haben auch über die Entwicklungsdimension der Geschichten vom Sterben gesprochen. Sowohl in der Supervision, wie auch in dem angesprochenen Buch ‚Die Kunst der Begleitung‘, haben diese ‚wahren‘ Geschichten eine Wirkung über das Einzelschicksal hinaus. Auch sie strahlen in die Wirklichkeit in ihrer gefassten Form weiter und können sich mit Menschen verbinden, die mit diesem Sterben der einzelnen Menschen gar nichts zu tun haben. Diese Entwicklungsdimension der Geschichten und damit des Sterbens der einzelnen Menschen scheint mir ein wichtiges (für mich) neues Element zu sein. In der Supervision war mir das schon erlebnismäßig klar, aber durch das Buch und jetzt durch die Vorlesung ist mir deutlich geworden, dass die Ausstrahlungswirkung auch über einen engeren beteiligten Kreis hinaus da ist! Die Wirkung könnte eine Erinnerungswirkung sein an eine in uns verborgene latente Wirklichkeit, die über die alltägliche Bewusstseinsform hinausgeht. Der ‚Geschmack‘ dieser Wirklichkeit im Leben könnte eine Orientierung geben für die eigenen Bewegungen im Leben …

Vielen Dank für die gute Arbeit miteinander.

Roland Wiese, Alfter, 12.12.23

Die Wirklichkeit des Engels und die Kunst der Begleitung

Die Wirklichkeit heute erscheint uns in der öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung immer mehr als eine schreckliche Wirklichkeit, eine unmenschliche Wirklichkeit. Und dieses Erscheinen behauptet umso mehr die Wirklichkeit zu sein, als es sich in die allgemeine und individuelle Wahrnehmung drängt. Die Erscheinungen dieser Wirklichkeit drängen sich förmlich auf in ihrer Monstrosität und Gewalttätigkeit. Diese Wirklichkeit zieht das allgemeine Interesse mit Gewalt auf sich, man kann ihr kaum entkommen. Es ist eine magisch-dämonische Wirkung des Tötens und des Todes, die von dieser Wirklichkeit genutzt wird, um die Weltaufmerksamkeit permanent auf sich zu lenken. Diese Wirklichkeit ist laut und aufdringlich, man muss nichts selbst tun, um an ihr teilzuhaben, man muss stattdessen etwas tun, um nicht von ihr beherrscht zu werden. Die Wirkung dieser Wirklichkeitsart ist es die Menschen zu spalten, zu polarisieren, sie in Gruppen zu zwingen. Diese Wirklichkeit ist die Hölle.

Eine völlig andere Wirklichkeitsform lebt mehr in den unbeachteten Zwischenräumen des menschlichen Miteinanders. Diese Wirklichkeit und ihre Erscheinungen sind weniger laut und aufdringlich als mehr innerlich und intim. Deshalb ist es nicht so einfach sie zu bemerken, sie zu finden, an sie zu glauben und sie ernst zu nehmen. Gegen die andere Wirklichkeit, gegen die Hölle, kann sie sich nicht gut behaupten. Ein Beispiel für jene Wirklichkeit erzeugt sich (mir) immer wieder in der Begleitung der ehrenamtlichen Sterbegleiterinnen (die wenigen männlichen Sterbebegleiter sind hier mit gemeint). Also auch in der Sphäre des Sterbens und des Todes. Sie erzeugt sich weniger, wenn wir über Probleme der Arbeit sprechen, Probleme mit Einrichtungen, Probleme im Verein usw. Sie entsteht meist wie nebenbei, wenn wir in die Geschichten der Begleiterinnen tiefer hineingehen. Dabei ist ein solches Vertiefen gar nicht so einfach, denn es ist gerade nicht so, dass

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