Vor ziemlich genau 40 Jahren im April 1981 stieg ich in ein Auto mit obiger junger Frau am Steuer. Ich war bewaffnet mit einer Video-Kamera und die junge Frau war aktiv in einer Initiative gegen Wohnungsnot (ändern sich die Zeiten wirklich?) in Leverkusen. Sie gehörte u.a. zu einer Fotogruppe, die leerstehende Häuser fotografiert hatte. In der Fußgängerzone von Leverkusen-Wiesdorf wurde mit Hilfe einer kleinen Zeltstadt auf das Thema Wohnungsnot und auf die gleichzeitig leerstehenden Häuser hingewiesen. Natürlich war die Aktion nicht ordnungsgemäß angemeldet und so kam die Polizei und wollte die Aktion beenden. Die junge Frau bot der Polizei an zum Ordnungsamt zu fahren und eine Genehmigung zu holen – damit war schon mal Zeit gewonnen. Ich fuhr mit, um das Geschehen zu dokumentieren. Wir kannten uns nicht, obwohl wir jahrelang zum gleichen Gymnasium gegangen waren.
Einige Tage später wurde dann von einer größeren Gruppe ein Haus besetzt, die Niederfeldstraße 8. Kurz zuvor hatte die Firma Bayer ein Haus, das eigentlich besetzt werden sollte kurzerhand abgerissen.
https://www.youtube.com/results?search_query=niederfeldstra%C3%9Fe+8+detlef+stoller
https://www.youtube.com/watch?v=ayz8jYsAIls
‘Unser Haus’, die Niederfeldstraße 8 gehörte zu einem Straßenzug direkt am Rhein – die Häuser waren alles Altbauten aus der Jahrhundertwende. Ich war bei der Besetzung wiederum als Videofilmer dabei (meine damaligen Filmaufnahmen findet man heute bei You Tube schön historisch in Schwarz Weiß) und habe die Besetzung und Renovierung des Hauses Nr. 8, ein Haus von 1905 mehrere Wochen dokumentiert. In dieser Zeit haben die junge Frau und ich uns dann näher kennengelernt. Im Gegensatz zu vielen Hausbesetzungen, die meist mit Räumungen durch die Polizei ihr Ende fanden, konnte dieses Haus tatsächlich gerettet werden. Der Eigentümer, die Bundesvermögensgesellschaft, die es erworben hatte für eine Autobahntrasse, ließ sich nach langen Verhandlungen, an denen die junge Frau maßgeblich beteiligt war, überreden die Besetzung zu dulden und später das Haus zu vermieten. 2014 wurde es dann von einem der ehemaligen Hausbesetzer gekauft und wird weiter als Projekt für Menschen, die günstigen Wohnraum brauchen genutzt. Über die inzwischen 40 jährige Geschichte gibt es auch einen Film (darin wurden auch meine Filmaufnahmen von der Besetzung verwendet) Die ausführliche und noch sehr komplizierte Geschichte gibt es auf der Seite der N8. Es ist auch gleichzeitig die Geschichte eines ganzen Jahrhunderts inklusive der Industriegeschichte eines großen Chemiekonzerns, der dort einen ganzen Stadtteil vergiftet hat.
https://www.projekt-n8.de/geschichte/heute-und-morgen/
Also gewissermaßen ein Happy End zumindest für das Haus und die Menschen. Auch für mich und die junge Frau von damals. Denn indirekt war die Frage der Häuser und der Menschen und die Frage eines bestimmten Lebens, das was uns zusammengebracht hat. Warum Karma? Weil Karma sich faktisch in realen Sachbezügen realisieren kann. Weil Karma am Anfang nicht das ist, was daraus wird, aber doch einen Keim des späteren real in sich trägt. In der damaligen Situation war Karma die Intentionalität,; von heute aus aber erst bewusstseinsfähig und eingelöst durch das, was daraus geworden ist.
Roland Wiese 21. April 2021
P.S. Zeit, in diesem Fall 40 Jahre, ist auch nicht wirklich als Zeit erfahrbar, sondern eigentlich nur als Inhalt, als der Inhalt, der sich von der oben geschilderten Situation in den Inhalt heute entwickelt/verwandelt hat.