Was ist das? oder wenn die Dinge beginnen zu blühen…

Forschungswege mit der Farbe VIII

Diesmal geht es um Farben und Formen von Dingen, die Michael Kolod Bilder nennt. Merkwürdige Bilder, merkwürdige Farbwirkungen, die vor und hinter den Dingen schweben. Man weiß nicht, ist die Farbe Oberfläche eines Materials oder Licht…

Im Kunstraum Bremen fand am Samstag, den 1. Februar die Vernissage einer Ausstellung mit Bildern von Michael Kolod statt. 

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Die Ausstellung ist betitelt mit ‘wieder – holen’ , denn 2013 war Michael Kolod schon einmal im Kunstraum zu sehen mit der Ausstellung ‘Zug um Zug’. Damals stand auf der Webseite des Kunsraumes: “Michael Kolod verwendet in seiner Arbeit Materialien, die, aus Baumärkten stammend, eigentlich in Gärten, Baustellen Verwendung finden. Bereiche, in denen nicht fein ziseliert wird, sondern wo es um nützliche Zweckbestimmung geht. Er stellt diese Werkstoffe in einen neuen Kontext, stellt das zarte, nahzu  Immaterielle heraus, die feine Transluzidität, die feinen Innenräume. Er verwandelt sie, betont ihre Eigenschaften, ohne ihnen neue zuzuweisen. Das Ernstnehmen des Werkstoffes scheint auch im Entstehungsprozess auf, indem er seine Farben, seine Materialien selbst agieren lässt. Er stößt etwas an, sieht zu, wartet ab, greift ein. Werkstoff und Künstler sind im Dialog, überraschen sich, es kann die Eigenart, ja die Persönlichkeit des Materials deutlich werden.”

In Ute Seiferts Begrüßung und Anmoderation  zu der aktuellen Ausstellung wollte sie dieses  Mal die Frage: Was ist das? Im Sinne: woraus ist das hergestellt?  gar nicht mehr in den Mittelpunkt stellen. Michael Kolod entwickelte dieses Motiv in seiner kleinen Ansprache weiter:

Man müsste eigentlich fragen: Was ist es jetzt?

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Michael Kolod

Was sieht man?

Das halbrunde Netzwerk aus Kreuzen, an die Wand gehängt, scheint auf einer gelbgrünen Folie aufgebracht zu sein. Ist es wirklich eine Folie? Man kann nicht genau erkennen,  ob es nun ein transparentes Material ist, was darunter liegt, oder nur farbiges Licht. Erst als Michael es von der Wand nimmt, sieht man, dass es nur die Kreuze sind, die diese Schale bilden, die Farbe entsteht aus der Rückstrahlung der weißen Wand, aus dem Gelb, mit dem die Rückseite der Kreuze bemalt sind. Aber die Farbe strahlt nicht nur auf die weiße Wand als Fläche, sie erfüllt den Raum zwischen dem Halbrund der Kreuze und der Wand. Man meint sie anfassen zu können!

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Bei allen Objekten, die hier an den Wänden platziert sind, gibt es solche überraschenden indirekten Farbwirkungen. Ein Blau in einem Plastikschlauch, ist in Wirklichkeit ein Schwarz auf der Rückseite des Schlauches. Form und Farbe spielen hier in merkwürdig irritierender Weise miteinander. IMG_20200201_200217 Es ist natürlich einerseits spannend und sorgt für immer neues (kindliches) Staunen, was der Künstler hier an neuen Zusammenhängen erzeugt hat. Aber wenn man einmal diese erste Zugangsfrage hinter sich gelassen hat, beginnen diese neuen Dinge ihr Eigenleben zu entfalten, farblich und formmäßig! Michael Kolod befreit die alten Dinge aus ihren Funktionen und öffnet sie für ein neu Sehen als Farbe und Form. Dabei erzeugt er zusätzlich zu den Dingen selbst, eine Art (Echo) Raum, durch die Licht-, Schatten- und Farbwirkungen auf der Wand. Man gerät beim Anschauen dadurch immer wieder in eine  Zwischenwirklichkeit zwischen den Dingen und ihrer Auflösung in Form und Farbe in den Raum. Man wird durch das Befreien im Anschauen selbst befreit, und diese Befreiung des eigenen Sehens und Denkens kann sich natürlich auch in das alltägliche Sehen mitnehmen lassen! Die ‘Bilder’ Michael Kolods dürfen dafür selber nicht zu vollkommen und perfekt sein, da sie ja nicht abschließend wirken sollen, sondern aufschließend. Aber wenn man genauer hinschaut kann man schon die präzise und feine  Arbeit mit den Materialien bewundern…

Roland Wiese Text und Fotos 2.2.2020

P.S. Im Katalog von Michael Kolod fand ich auf der letzten Seite ein Zitat von John Berger, das wirklich sehr gut zu diesen ‘Bildern’ passt: “Sichtbarkeit ist eine Form des Wachstums. Das Ziel: Die Erscheinung eines Dings (sogar eines unbelebten Dings) als Wachstumsstufe zu sehen – oder als Wachstumsstufe, an der es teilhat. Seine Sichtbarkeit erkennen, ist eine Art von Blühen.”

John Berger, Das Sichtbare & das Verborgene


Die Ausstellung:

Michael Kolod (Frankfurt) wieder-holen

ausstellung 1.2.-22.2.2020

Kunstraum Bremen, Rückertstraße 21, 28199

mittwochs 17.30-18.30 und nach tel. Vereinbarung 0151-1275983, 04205 8822 (Ute Seifert)

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