Louise Nevelson – Sculptor of Shadows


Forschungswege mit der Farbe

Roland Wiese

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Louise Nevelson; Hommage to the Universe, 284,5×862,5 

Schwarz ist der geistige Schatten des Todes, so lautet der Begriff, den Steiner für die Farbe Schwarz findet. Die Ausstellung in Aalborg (DK) mit Skulpturen von Louise Nevelson trägt den Titel „Sculptor of Shadows“.

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Louise Nevelsons Biographie umfasst nahezu das ganze 20. Jahrhundert. Sie wurde 1899 in der Ukraine geboren und starb 1988 in New York. Sie ist nicht die einzige Künstlerin, die im 20. Jahrhundert so intensiv mit der Farbe Schwarz gearbeitet hat. Ad Reinhardt, Pierre Soulage, Arnulf Rainer und andere haben sich malerisch mit ihr auseinandergesetzt, oder anders, sie genutzt, um mit ihr das zu erforschen, was die Farbe Schwarz ist.

Louise Nevelson untersuchte mit ihren Assemblagen aus gefundenem Holzobjekten aus den Straßen von New York die Beziehung zwischen diesen Objekten und der Farbe Schwarz. Was geschieht mit den Gegenständen wenn sie alle in schwarzer Farbe gleichgefärbt zusammengestellt werden zu etwas Neuem, das kein Gegenstand mehr ist, den man kennt, der sich in Form und Farbe und in Erinnerung an Objekte aus dem alltäglichen Leben auflöst/bewahrt/bildet?

In den 50 er Jahren hat sie nicht nur mit schwarzen Objekten gearbeitet, sondern, auch die Ausstellungsräume selbst abgedunkelt. (Auch in dieser Ausstellung sind einige Räume schwarzdunkel) Das verstärkt die Wirkung ihrer Objekte und die Wirkung des Nicht-Sehen-Könnens in der Finsternis/Dunkelheit. Aber auch im Tageslicht wirken die von ihr neu zusammengestellten Formen deutlich befremdend. Sie lösen die alte Sehgewohnheit auf, und fragen nach einem neuen Sehen.

Louise Nevelson war an diesem Sehen interessiert. An einem Sehen, das mehr wie zurückgeworfen wird in sich selbst, aber doch noch Formen mitnimmt in dieses Zurückgeworfensein.

Es geht um das Zwischenreich, das Reich, wo die Formen sich auflösen, um neue Form werden zu können. Es ist ein Reich, indem die sinnliche Gewissheit des normalen Lebens nicht mehr trägt. Ein Reich, in dem ich selbst mit diesen übrig gebliebenen Formen etwas bilden muss. Ich kann mich an den gegebenen Formen und Farben nicht mehr erlebend abstützen. Sie sagen nichts, wenn ich nichts mit ihnen anfangen will.

Man kann diese menschliche Situation im 20. Jahrhundert verorten. Als eine Art Durchgang, durch die der Mensch hindurch muss. Eine Abstraktion der Form bis an ihre Auflösungsgrenze – da wo sie nicht mehr in ihrem alten Zusammenhang einen Gegenstand (be)zeichnet.

Man kann dies auch an dem Menschen selbst sehen. Die Bilder/Photos/Portraits von Louise Nevelson (geboren als Leah Berliawsky) zeigen diesen Durchgang durch diese Selbstbildungsnotwendigkeit. Es ist nicht nur ein künstlerischer Weg durch die Schwärze. Es ist auch ein existentieller und in notwendigerweise einsamer Weg. Louise Nevelson ist ihn gegangen.

Photos: R.Wiese (bzw. Photos von Bildern in der Ausstellung)

30.9.2020

P.S. Wir wollten gerne das Museum ‚Kunsten‘ in Aalborg besuchen. Ein Museumsbau aus den 70er von Alvar Aalto, dem berühmten finnischen Architekten. Als ich die Ankündigung der Ausstellung von Louise Nevelson sah, war ich erst einmal abgeschreckt. Das lockte mich nicht, was ich da sah. Schwarze Holzobjekte. Es ist interessant, dass der Eindruck dann vor Ort ein ganz anderer war. Das Schwarz hinterließ eine angenehme Grundempfindung in mir. Ausstellung und Gebäude wirkten wohltuend, im Gegensatz zu vielen modernen Museen, ist dieses Haus ganz ruhig und zurückhaltend, und gibt einem ein gutes Lebensgefühl. Dem entspricht auch die Ausstellung – Ruhe und keine nervösen elektronischen oder sonstigen Aufmerksamkeitszerstör er…
Im Nachhinein erinnerte mich Louise Nevelson mit ihren schwarzen Objekten an Agnes Martin mit ihren Grid-Bildern. (siehe meinen Beitrag : Vollkommenheit, Schönheit, Unschuld)Beide radikal und konsequent sie selber und gleichzeitig mit der Sache verbunden. Beide mit einem geistigen Anspruch und realer Verwirklichung persönlich und künstlerisch.
Agnes Martin wie aus der vorgeburtlichen Sphäre schöpfend; Louise Nevelson wie in der Sphäre des Todes, der ‚Nachtsonne‘ arbeitend.

1.10.2020

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