Selbstheilungskräfte des Ich

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„Selbstheilungskräfte des Ich“ – Der Titel dieses Beitrages war auch der Titel der Veranstaltung am Wochenende in der DELOS-Forschungsstelle in Eichwalde. Man kann das Seminar nennen, aber Wolf-Ulrich Klünker betonte schon in der Einleitung, dass es nicht so einfach ist eine Veranstaltung zu diesem Thema zu haben. Denn man könnte natürlich Veranstaltungen über die Selbstheilungskräfte noch und nöcher machen, ohne dadurch den Selbstheilungskräften auch nur einen Schritt näher zu kommen. Wie können aber die Selbstheilungskräfte im einzelnen Menschen selbst angesprochen werden, ohne das Ich der anwesenden Menschen zu umgehen? Interessant ist für mich die Wahrnehmung des Nachklangs der Veranstaltung – die inhaltliche Seite war sicherlich nicht unwichtig, aber viel wesentlicher erscheint mir, dass ich mich danach in einem anderen Zustand befinde als vorher. Man könnte es vielleicht so formulieren – ich empfinde sehr genau, ohne zu wissen, woher ich das wissen kann, das mein Zustand nach der Veranstaltung idealiter der ist, der mir möglich ist, in dem ich mich aber sonst nicht befinde. Ich erlebe mich ansatzweise in einer gewissen Identität von leiblicher und geistig-seelischer Möglichkeit. Ich schließe daraus verschiedene Dinge: Ich habe mich am Wochenende in der geistigen Bewegung und Bemühung mit den anderen und mit Wolf-Ulrich Klünker in einer Wirklichkeitsschicht aufgehalten, in der die Selbstheilungskräfte des Ich anwesend sind. Das, was und wie wir am Wochenende gesprochen und gefühlt haben sind die Selbstheilungskräfte. Man muss jetzt nicht meinen, dass das seelisch in irgendeiner Weise eine besondere Intensität hatte, weder während noch nach dem Seminar. Das Gefühl der Identität mit sich selbst (bis in den leiblichen Bereich hinein) ist nicht besonders aufdringlich, sondern eher leise. Es ist auch nicht zu beweisen, dass es irgendeinen Zusammenhang mit der Veranstaltung hat. Es ist mir aber innerlich vollständig klar, dass es so ist. Resümee: Die Selbstheilungskräfte (man kann sich mal fragen, wie man sich diese eigentlich vorstellt!) sind möglicherweise ganz anders. Sie sind vielleicht eine gewisse geistige Aktivität – Steiner hat es im Lebensgang (seiner Autobiographie) einmal so formuliert, dass man mit dem ganzen Menschen in das Denken, also in das geistige tätig sein, hineingeht. Selbstheilungskräfte, ein heute viel gebrauchter Begriff, zu Steiners Zeiten hätte man vielleicht noch vom ‚Lebensgeist‘ gesprochen. Ein Geistig-Seelisches, das in der Lage ist Leben aufzubauen. Natürlich ist eine solche Veranstaltung keine Dauermedikation, aber man kann für sich eine Art Modellerfahrung machen, welches Leben in welcher geistigen Aktivität eigentlich notwendig ist, um die Einheit zwischen Leben und Bewusstsein wiederherzustellen. Also welche Art von Bewusstsein lebenswirksam ist und, gleichermaßen, welche Art von Bewusstsein lebensschädigend wirkt. Beide Wirkungen beschränken sich dabei nicht auf den eigenen Organismus, sondern strahlen in die Lebenswirklichkeit insgesamt aus.

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Kurz, aber intensiv…

Ich habe heute, zusammen mit Albrecht Kaiser, Student*innen an der Alanus Hochschule zum Thema ‚Einführung in die Anthroposophie‘ unterrichtet. Wolf-Ulrich Klünker hatte Albrecht Kaiser und mich kurzfristig gefragt, ob wir am Sonntag für ihn einspringen würden. Und so haben Albrecht und ich heute gemeinsam mit den Studenten an der Sinneslehre, vor allem am Tastsinn gearbeitet. Wolf-Ulrich und Ramona Rehn hatten Freitag und Samstag schon einige Themen vorgearbeitet. Die Student*innen waren, genau wie wir, sehr zufrieden mit dem Einstieg und auch mit den Vertretungsdozenten. Lieber Albrecht, danke für die kongeniale Zusammenarbeit! Da ist Zukunft drin, sowohl im Thema, wie in der Konstellation.

Roland Wiese 16.6.2019

P.S. Wir haben heute ja die heilpädagogische Arbeit Steiners mit Otto Specht näher angeschaut. Am 16.6.1884 schrieb Pauline Specht an Rudolf Steiner wegen der Hauslehrerstelle. Am 18.6.1924 besucht Steiner  die Heilpädagogische Initiative in Jena und am 25.6. 1924 begann der Heilpädagogische Kurs. (Albrecht hat mir erzählt, dass er mit dem Erbprinzen von Schloss Hamborn einen der Teilnehmer des HPK gekannt hat). Auf der Seite Psychologie findet man einen Aufsatz von mir zur Psychologie des Heilpädagogischen Kurses: Die Psychologie des Heilpädagogischen Kurses

Das Leben mit den Verstorbenen

Der Tod im Leben

Ich begleite seit einigen Jahren ehrenamtliche Sterbebegleiter von Hospizvereinen. Im Gespräch versuchen wir die Erlebnisse der Begleiter zu verstehen und zu vertiefen. Eine Frage taucht dabei immer wieder auf und zeigt sich als eine entscheidende Grenzfrage in dem ganzen Lebensbereich des Sterbens: Was ist nach dem Tod?  Dabei sollte diese Frage eigentlich recht unproblematisch zu beantworten sein, es gibt ja ein jahrtausendealtes Wissen über das sogenannte Jenseits. Aber, und das kennzeichnet die heutige Situation des Menschen sehr genau, die letzten einhundert Jahre der Wissenschaftsentwicklung haben diese Art von ‚Wissen‘ als Glauben diskreditiert und gleichzeitig diesen ‚Glauben‘ als eine subjektive Form des Wissens entwertet, so dass der ‚Glaube‘ heute vielen Menschen nicht mehr wirklich tragfähig erscheint. Man kann lange über die persönlichen Glaubenshaltungen und Annahmen sprechen, am Ende kommt dann oft der Satz: Aber man kann es ja nicht wissen! Und vielleicht noch als letzte Steigerung des Grenzerlebens: Es ist noch keiner zurückgekommen! Gibt es eine Möglichkeit dieser (selbstaufgebauten) Zwickmühle des Erkennens zu entkommen?

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Zentrales Ich und Umkreis-Ich

In einem  neuen Aufsatz von Wolf-Ulrich Klünker, ‚Das neue Tier und der Engel‘, (erschienen in der Wochenschrift ‚Das Goetheanum‘ am 5.4.2019) habe ich eine Beschreibung der Beziehung zwischen zentralem Ich und Umkreis-Ich gefunden, die meine Perspektive in meinen Beiträgen zur Ich-Entwicklung der Wahrnehmung und zum peripheren Ich des Schicksals erweitern, verdeutlichen und vertiefen kann. 

Das Alltagsbewusstsein erlebt sich normalerweise als eine Art Spiegel-Bewusstsein. Das bedeutet, das was ich denke, vorstelle, imaginiere wird nicht automatisch Wirklichkeit. Es erscheint nicht verbunden mit der Wirklichkeit. Genau dieses nicht in die Kraftwirklichkeit eingebundene Spiegel-Bewusstsein ist aber die Grundlage für die Freiheit des Menschen. Das erst einmal kraftlose Bewusstsein kann zum Ausgangspunkt werden für eine Individualisierung der Wahrnehmung und der Wirklichkeit. Wolf-Ulrich Klünker hat den Engel in der mittelalterlichen Tradition immer als die wirklichkeitsschaffende Kraft im Natur- und im Schicksalszusammenhang angesprochen. Der Engel ist aber in diesen Zusammenhang den er hält eins zu eins eingebunden. Die Verbindung zwischen dem kraftlosen Bewusstsein des Menschen und dem kraftwirksamen Bewusst-Sein des Engels liegt nicht in den (Spiegel)Bildern der Wahrnehmung und des Bewusstseins, sondern in den „individuell <spiritualisierten> Empfindungen der Welt, in denen innere Verbindungen des Menschen mit den Dingen  gleichsam real werden – hier wird eine nicht gegebene, sondern eine intendierte Welt Wirklichkeit (…)“. „Die <große >, realitätsbildende Kraft des Engels geht aus von der <kleinen> Intentionskraft und Imaginationskraft des Menschen, der aus imaginativer Kraft heraus eine Zukunftswelt imaginiert, mit der er wirklich verbunden ist.“

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Der Pendelschlag des Ich

1. Teil Denken

In unserem letzten Arbeits-Treffen ‚Ich-Entwicklung Begleiten‘ haben wir versucht das Ich in drei unterschiedlichen Grenzerlebnissen konkreter zu erfassen. Wie zeigt sich das Ich als Tätigkeit im Denken, Wahrnehmen und Handeln? Und wie beeinflussen sich diese unterschiedlichen Tätigkeiten gegenseitig? Es sollte klar sein, dass es hier weniger um den Versuch geht das Ich sauber und systematisch zu definieren, als mehr darum charakteristische Ich-Situationen phänomenologisch anzuschauen und freizulegen. Die in diesen Grenzbereichen zu erlebenden Übergänge zeigen sich nur im Ich, und nur, wenn das Ich tätig ist. Auch hier ist, wie immer, wenn es um das Ich geht, eine vorlaufende Ich-Tätigkeit und ein bestimmter Zusammenhang die Voraussetzung dafür diesen Grenzpunkt, oder auch ‚Pendelschlag des Ich‘ zu erleben, bzw. zu erzeugen.
Begonnen haben wir mit einem einfachen Satz, den Rudolf Steiner in dem Buch ‚Die Schwelle der geistigen Welt‘ im ersten Kapitel als gut geeignet empfiehlt, um den angesprochenen Pendelschlag des Ich ins Erleben zu bringen: „Ich empfinde mich denkend eins mit dem Strom des Weltgeschehens.“ Dieser Satz ist gewissermaßen die Zusammenfassung der Gedankenschritte, die Steiner in den Absätzen zuvor gegangen ist. Das Kapitel selbst handelt ‚Von dem Vertrauen, das man zu dem Denken haben kann, und von dem Wesen der denkenden Seele. Vom Meditieren“. Ich selbst bin in den Jahren ab 1999 herum intensiv mit diesem Kapitel umgegangen und habe auch einige Seminare zu diesem Kapitel gegeben, weil mir der dort geschilderte Zusammenhang als sehr einleuchtend und auch wesentlich erscheint. Wolf Ulrich Klünker hat, meines Wissens als einziger bisher, die dort behandelte Beziehung der Seele zum Denken als eine Grundlage für eine Psychologie, aber auch für eine Therapie der Seele bezeichnet. Das Vertrauen der Seele zum Denken wird dort als die entscheidende Grundlage für ein gesundes Seelenleben, wie für eine vernünftige Wissenschaft von der Seele benannt. (Wolf-Ulrich Klünker, Selbsterkenntnis, Selbstentwicklung, Stuttgart 1997 S. 15 ff.) In unserem Arbeitstreffen tauchte natürlich sofort auch die Frage auf, eine Frage, die immer auftaucht, was denn eigentlich Denken ist, oder was mit ‚Denken‘ hier gemeint ist. Klünker definiert dies für die hier gemeinte Perspektive so:“ Mit „Denken“ ist dabei allerdings nicht eine abstrakte Vorstellungsbildung gemeint, sondern der lebendige Versuch, sich im Hinblick auf sich selbst, auf die Welt und auf andere Menschen eigenverantwortlich zurechtzufinden.“ (a.a.O.) Mir erscheint diese sehr lebensnahe ‚Definition‘ als sehr hilfreich, weil darin deutlich wird, welche entscheidende Funktion für das Leben in der Ich-Tätigkeit des Denkens liegt, und wie Ich-Bildung und Ich-Entwicklung entscheidend vom Denken abhängen. Möglichweise haben sowohl individuelle wie auch grundlegende gesellschaftlichen Probleme ihre Ursache in Störungen des Denkens, bzw. in Störungen des Denkens über das Denken, also was das Denken ist und welche Funktion es im Leben hat. Es sei hier auf die Unterscheidung hingewiesen, die Rudolf Steiner im Heilpädagogischen Kurs macht zwischen Willensstörungen, die dort vorgestellten Kinder haben es damit zu tun, und Denkstörungen, von denen dort nicht weiter gesprochen wird (weil sie zu jener Zeit noch in abgeschlossenen Anstalten behandelt wurden). Einer der wenigen, der in Bezug auf die Frage, was eigentlich Verrücktheit ist, ebenfalls auf die Rolle des Denkens hingewiesen hat ist Hegel. In seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften zeigt sich für ihn Verrücktheit darin, dass das vernünftige Subjekt in einem ganz bestimmten Erleben, Gefühl steckenbleibt, weil es dieses nicht in einem neuen Zusammenhang von sich selbst auflösen und integrieren kann. Dabei verweist er darauf, dass diese Anschauung nicht nur subjektives Problem eines einzelnen Menschen ist, sondern auch Anschauung einer ‚Metaphysik‘ war (und heute vielleicht wieder oder noch ist). „Der Geist ist frei und darum für sich dieser Krankheit nicht fähig. Er ist von früherer Metaphysik als Seele, als Ding betrachtet worden, und nur als Ding, d.i. als Natürliches und Seiendes ist er der Verrücktheit, der sich in ihm festhaltenden Endlichkeit fähig.“ (§408) Wenn der Geist sich selbst als Seele ansieht, also als etwas Endliches und Seiendes, nicht als etwas Schaffendes und Tätiges, dann wird er zu einem solchen Seelischen, und verliert die Fähigkeit die einzelnen Erlebnisse in einen sinnhaften Zusammenhang von sich selbst zu bringen. „Der Geist als nur seiend bestimmt, insofern ein solches Sein unaufgelöst in seinem Bewusstsein ist, ist krank.“ (ebd.) Die Therapie, Heilung besteht für Hegel (der diesbezüglich einen Pionier der Psychiatrie, Pinel, lobt) darin vom vernünftigen Menschen auszugehen, also diesen quasi vorauszusetzen und ihn zu fördern. Für eine rationelle Therapie oder Entwicklungsbegleitung wäre als Ziel zu denken, die Fähigkeit des Denkens zu unterstützen, d.h. das Vertrauen zum Denken, und damit zur Fähigkeit sich in seinem Leben zu orientieren zu unterstützen. Die Wirkung würde sich dann auch genau in dieser Orientierungsfähigkeit des Ich zeigen.

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AtelierRaumAustellung März 2019 „Malerei als Meditation“ — elfi wiese

Ausstellung von Wolfgang Voigt in meinem Atelier in Horstedt Für März 2019 habe ich ihn eingeladen als ersten hier ausstellenden GastKünstler. Wolfgang Voigt lebt und malt in Wennigsen/Deister in seinem Atelier FindOrt. In Hannover arbeitet er seit ca.30 Jahren auch als Kunsttherapeut. […]

über AtelierRaumAustellung März 2019 „Malerei als Meditation“ — elfi wiese