
Psychologie der Physiologie
„Wert legen auf Psychologie und psychologisches Wirken.
Die Psychologie muß aus der Bewusstseinsseele neu begründet werden.
Die Psychologie sollte aber keine neue Theorie, sondern eine spirituelle Betätigung werden, mit der man dem Niedergang entgegenarbeitet, denn Menschen verlieren das Seelische. Das wäre ihre anthroposophische Aufgabe.“
(Notiz von Franz Löffler nach einem Gespräch mit Dr. Steiner am 6.Juli 1924)
Wenn heute der Begriff ‚Psychologie‘ gebraucht wird, dann ist nicht so wirklich deutlich, was damit eigentlich gemeint ist. Die Psychologie als Wissenschaft, aber auch als angewandte Technik, schwankt zwischen empirischer Wissenschaft mit einer Anlehnung an die Naturwissenschaft und einer Art Rest Psychologie mit philosophisch ernst zu nehmendem Anspruch. Diese zweite Form der Psychologie ist aktuell meist eine Art anthropologischer Phänomenologie oder auch phänomenologischer Anthropologie. Als Drittes existiert Psychologie noch als Wissenschaft, die den verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren zugrunde liegt, also Tiefenpsychologie und Verhaltenspsychologie. Aus dieser dritten Schicht speist sich wesentlich das allgemeine Selbsterleben und die Selbstanschauung. Insofern kann man berechtigt von einem psychoanalytischen Jahrhundert sprechen, was das menschliche Selbstverständnis angeht. Was bisher nicht wirklich entstanden ist, ist eine Psychologie als eine Art menschlicher Zentralwissenschaft, die eigentlich in allen Wissenschaften als menschliches Dabei Sein der Ausgangs- und Zielpunkt ist. So versteht sich aber ganz explizit die ‚Psychologie des Ich‘, die wir im Rahmen der Forschungsstelle für Psychologie DELOS erarbeiten (Buchveröffentlichung 2016: ‚Psychologie des Ich‘). Es geht in dieser Arbeit nicht nur um eine Psychologie im engeren Sinne, eine Psychologie der Seele. Eine wirkliche Psychologie des Ich ist immer auch eine Psychologie der Natur, eine Psychologie des Geistes usw. Eine solches Verständnis von Wissenschaftlichkeit würde den erlebenden Menschen nicht aus der Forschung herausnehmen, sondern ihn gerade als Mittelpunkt, also Ausgangspunkt und Zielpunkt sehen. In und mit der Psychologie entwickelt der Mensch sein sich selbst Verstehen und sein sich selbst Erleben in der Welt. Psychologie berührt als Wissenschaft immer auch die existenzielle Verfasstheit des einzelnen Menschen. Ihre Begriffe sind in ihrer Wirkung auf das Leben der Menschen direkt spürbar. In ihnen und durch sie erlebt der Mensch sich und die Welt. Insofern hat die Psychologie die Theologie und die Philosophie abgelöst. In den letzten 200 Jahren hat sich die Psychologie aber als ‚schwache Wissenschaft‘ gezeigt. Sie hat sich der naturwissenschaftlichen und technischen Entwicklung als nicht gewachsen gezeigt und deren Methoden und Grundannahmen übernommen. Dies zeigt sich bspw. in der physiologischen Psychologie und Neurologie des 19. Jahrhunderts. Die empirischen Befunde dieser Psychologie überformten die eigentliche Psychologie und das menschliche Erleben wurde zum Effekt der Physiologie. Nicht die Ergebnisse der Forschungen sind das Problem, das Problem ist die geistige Schwäche der Psychologie, die sich in den Befunden verliert.
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